Meldungen aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt
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Kriegsgräberstätten vorgestellt

Teil 4: Halle – Gertraudenfriedhof

Der Beschluss, einen neuen Friedhof in Halle zu bauen erfolgte im Dezember 1909 durch den Stadtrat von Halle. Die Gestaltung des Gertraudenfriedhofs erfolgte ab 1912 als größter Friedhof Halles. Als erste Beerdigung wurde am 12. September 1914 ein französischer Soldat bestattet. Er erhielt ein einfaches, aber durch deutsche Soldaten begleitetes würdiges Begräbnis. Es gibt u. a. Gedenkstätten für Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, der Bombenopfer, der Sowjetischen Kriegsgefallenen und der ausländischen Opfer der NS-Herrschaft.

Das Gräberfeld für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges wurde am 15. November 1914 eingeweiht. Dies wurde nötig, da schon bald nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges in den Kämpfen verwundete deutsche, aber auch Kriegsgefangene ausländische Soldaten mit Lazarettzügen zur medizinischen Versorgung nach Halle gelangten. Vielen starben hier. So kam es, dass die erste Beisetzung auf dem Gertraudenfriedhof am 12. September 1914 die eines seinen Verwundungen erlegenen französischen Soldaten war. Die ersten auf dem Gertraudenfriedhof Bestatteten waren zwei französische Kriegsgefangene und ein Hallenser, welche an den Folgen ihrer Kriegsverwundungen verstorben sind. Die beiden französischen Toten wurden in den 1920er Jahren in ihr Heimatland überführt. Für die Bestattung deutscher Soldaten, darunter auch solche, die erst nach dem Ende des Krieges verstarben, wurde die Abteilung 11 bestimmt. Insgesamt 626 Kriegstote des Ersten Weltkrieges sind auf dem Gertraudenfriedhof bestattet – 621 Deutsche, ein Österreicher und vier Tote unbekannter Nationalität. Als Kennzeichnung der Gräber durften nur liegende „Denksteine“ verwendet werden, deren Größe, Form und Material vorgegeben waren. Auf diese Weise sollte das vom Staat erwünschte einheitliche Erscheinungsbild erreicht werden.

Direkt neben dem Gräberfeld für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges befindet sich das Gräberfeld für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Insgesamt 641 Einzelgräber umfasst diese Abteilung des Friedhofs. Die stehenden Steine im Hintergrund wurden in den ersten Kriegsjahren errichtet. Später wurden aus Kostengründen nur noch liegende Steine angefertigt.

In der Abteilung 4 befindet sich das Gräberfeld für die während der nationalsozialistischen Herrschaft Ermordeten eingerichtet. Zwischen dem 23. November 1942 und dem 10. April 1945 wurden im Zuchthaus „Roter Ochse“ in Halle insgesamt 549 Todesurteile vollstreckt. Die Beisetzung der Asche erfolgte anonym und ohne Kennzeichnung an verschiedenen Orten auf dem Friedhof. Darüber und über die Bestattung von in Halle und Umgebung verstorbener ausländischer Zwangsarbeiter fertigte die Friedhofsverwaltung trotz offiziellen Verbots Aufzeichnungen an, die nach 1945 die Auffindung der Urnen ermöglichten. Dadurch konnten die Urnen 1948 exhumiert und hierher umgebettet werden. Nach dem Krieg überführten alliierte Umbettungskommissionen die sterblichen Überreste 167 Hingerichteter und Verstorbener in Ihre Heimatländer. Am 18. Mai 1948 beschloss der Stadtrat von Halle, die immer noch an verschiedenen Stellen des Friedhofs bestatteten weiteren Opfer des NS-Regimes an einem Ort gemeinsam beizusetzen, ein Denkmal zu errichten und jedes einzelne Grab mit einem kleinen Grabstein zu versehen. Die Stätte des Gedenkens sollte auch Bürger der Stadt einschließen, die in Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslagern in ganz Deutschland ums Leben gekommen waren. Der Direktor des Gertraudenfriedhofs ermittelte die genaue Anzahl der Erd- und Feuerbestattungen, ließ die bis dahin nicht in der Friedhofsabteilung 4 Bestatteten dorthin umbetten und lieferte eine Aufstellung über den Sterbeort der Beigesetzten. Neben dem Zuchthaus Halle (Grabsteine mit Todesjahr ab 1942), dem Polizeigefängnis in Halle und dem Salinengelände in Halle sind die Namen der „Euthanasie“-Mordanstalten (Grabsteine mit Todesdatum 1940/41) in Brandenburg, Sonnenstein, Bernburg, Grafeneck und Hadamar ebenso zu finden wie das Zwangsarbeitslager Spergau und KZs Dachau und Buchenwald. Unter den Hingerichteten befinden sich Widerstandskämpfer (in- und ausländische Regimegegner, „Wehrkraftzersetzer“ und Deserteure), Kleinkriminelle und auch einige Schwerkriminelle. Auch unter den Psychiatriepatienten sind einige, die aufgrund § 42b des Reichsstrafgesetzbuches als unzurechnungsfähige Kriminelle in die Psychiatrie eingewiesen und später mit Gas ermordet wurden. Von den ehemals 846 auf dem Gertraudenfriedhof beerdigten Opfern des Nationalsozialismus befanden sich nach den alliierten Umbettungen noch 679 auf dem Gelände der Begräbnisstätte – dies ist auch die Zahl im Gedenkstein auf der Grabanlage. Nach Zählung des Grünflächenamtes sind es 463 Einzelgräber.

Eine Besonderheit des Gertraudenfriedhofs, ist die Grabanlage für die Körperspender des Anatomischen Instituts der Universität Halle. Mit dieser Grabstätte ehrt die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg jene Personen, die ihren Körper nach dem Ableben dem Institut für Anatomie und Zellbiologie für Lehr- und Forschungszwecke zur Verfügung gestellt haben. An die über 60 Menschen, die in den Jahren der NS-Diktatur nach ihrer Hinrichtung dem Anatomischen Institut übergeben wurden, erinnert seit dem 26. Juni 2014 eine vom Bildhauer Bernd Göbel gestaltete Stele. Sie ist, stellvertretend für alle diese Opfer, Krystyna Wituska gewidmet, die sich im von den Deutschen besetzten Warschau dem Widerstand der Polnischen Heimatarmee angeschlossen hatte und wegen Spionage und Vorbereitung zum Hochverrat vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 26. Juni 19444 hingerichtet worden ist.

In unmittelbarer Nähe dieses Gräberfeldes befindet sich die „Abteilung der Vereinten Nationen“. Auf Anweisung eines sowjetischen Offiziers wurden die sterblichen Überreste von 223 Opfern, deren Herkunftsländer eindeutig identifiziert werden konnten, im Frühjahr 1949 in dieser Abteilung beigesetzt. Die Stirnseite ziert eine Wand mit der Aufschrift „Den in Halle gemordeten ausländischen Opfern des faschistischen Terrors zum ehrenden Gedenken“. Die 18 liegenden Steinplatten rundum zeigen keine individuellen Namen, nur die Bezeichnung der Länder, aus denen die Toten stammen, deren Umbetten an diese Stelle die sowjetische Kommandantur in den Jahren 1947/48 angeordnet hatte.

In der Abteilung 25 des Gertraudenfriedhofs befindet sich das Gräberfeld der Todesopfer der Luftangriffe auf Halle vom 31. März und 6. April 1945. Die Anlage umfasst 844 Einzelgräber. Neben den durch die Bombenangriffe ums Leben gekommenen Zivilisten sind hier auch Angehörige von Wehrmacht und Volkssturm beigesetzt, die in den letzten Kämpfen im April 1945 in Halle gefallen waren.

Ebenfalls einen Status als Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und damit unbegrenztes Ruherecht haben die „Torgauer Häftlingsurnen“. Ab Juni 1950 war das Krematorium des Gertraudenfriedhofs für verstorbene Häftlinge des Gefängnisses Torgau-Fort Zinna zuständig. Nach einer Anordnung des Ministeriums des Innern der DDR sollten die Toten eingeäschert und die Urnen anonym beigesetzt, d. h. unter einer Rasenfläche, ohne Kennzeichnung des Ortes vergraben werden. Eine Exhumierung und anschließende Bestattung in Familiengräbern sollte unmöglich gemacht und dadurch größere Menschenansammlungen, die den Charakter „politischer Demonstrationen“ annehmen könnten, verhindert werden. Der Leiter des Gertraudenfriedhofs umging die Anordnung der anonymen Beisetzung, indem er eine Form der Bestattung wählte, die eine Rekonstruktion des Ortes möglich machte. Auf dem Gräberfeld 39 wurden die Urnen an den Kopfenden bereits vorhandener Gräber in den Boden versenkt und dazu ein spezieller Lageplan angefertigt. Bei Nachforschungen des ehemaligen Torgau-Häftlings Benno Priess nach dem Verbleib der Urnen seiner verstorbenen Haftkameraden wurden Anfang der 1990er Jahre im Archiv des Gertraudenfriedhofs diese heimlich angefertigte Aufzeichnungen des damaligen Friedhofsleiters entdeckt, mit deren Hilfe die Urnen auf diesem stillgelegten Gräberfeld gefunden wurden. Dies ermöglichte es, Nachforschungen nach Angehörigen anzustellen und 40 Jahre nach dem Tod der Gefangenen ihre Urnen in die Grabstellen ihrer Familien zu überführen. In 117 Fällen gelang es nicht mehr, Angehörige zu ermitteln. 111 dieser Urnen (der Zustand von sechs Urnen ließ eine Umbettung nicht mehr zu) wurden in die Abteilung 24 des Gertraudenfriedhofs auf einer eigens dafür geschaffenen Anlage umgebettet. Die Anlage besteht aus einer Informationstafel am Weg und acht Steinen vor dem Urnenfeld. Auf den Steinen stehen die Namen und Daten von 117 Männern.

Am Rande des Gertraudenfriedhofs befindet sich die Grab- und Gedenkanlage für Sowjetbürger. Diese Grabanlage wurde 1948/49 nach dem Entwurf des Friedhofsleiters Henry Cyrenius errichtet. In diese zentrale Gemeinschaftsgrabanlage wurden die an verschiedenen Orten umgekommenen sowjetischen Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und gefallenen Soldaten umgebettet. Insgesamt sind 977 Tote hier begraben.